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Der Teilnehmer sagt mir, dass er um 10:00 Uhr weg muss, weil er ein Vorstellungsgespräch hat. Ich bin überrascht, weil er nicht gleich etwas gesagt hat und ich freue mich für ihn und wünsche ihm viel Glück. Zwei Stunden später ist er zurück und es ist endlich Gelegenheit, ausführlicher darüber zu sprechen. Das Gespräch ist gut verlaufen und es macht den Eindruck, dass mein Teilnehmer genau die Person ist, die der Arbeitgeber, (Herr Meier), gerade braucht, weil er ein neues Geschäftsfeld aufbauen will und mein Teilnehmer mit seinen Kenntnisse und Erfahrungen genau das mitbringt, was dafür nötig ist. Genau genommen sehe ich die Situation als Glücksfall. Ich freue mich für ihn und frage, wie er denn auf diese Bewerbung gekommen ist, er lacht und sagt, dass habe ihm Herr Meier auch gefragt.

Herr Meier war richtiggehend erstaunt gewesen, weil er bisher penibel darauf geachtet hätte, dass sein Vorhaben nicht bekannt würde. Ich gucke den Teilnehmer an und er setzt an: „Also, das war so. Der Hausmeister hier, kennt den Hausmeister von dem Geschäftshaus, in dem Herr Meier gerade Räume angemietet hat. Das hat der Hausmeister von dort dem Hausmeister von hier beim Rasenmähen erzählt. Der hat es dann der Maßnahmeleiterin erzählt und sie mir. Ich habe dann die Immobilienfirma rausgefunden, die dort vermietet und dort nach dem Namen des Mieters gefragt und auch bekommen. Das war Herr Meier. Dann habe ich Herrn Meiers Internetseite gefunden und damit seine Adresse und den Rest kennen Sie.“ Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache und mein Teilnehmer auch.

Innovative Bewerbungsunterlagen

Ich hatte eine Diskussion mit einer Maßnahmeleiterin, ob man für den neuen Beruf „Kauffrau im Gesundheitswesen“ nicht mal zu einer neuen innovativen Bewerbungsformen greifen solle. Nachdem ich darüber nachgedacht hatte, meinte ich, dass ja die Empfänger solcher Bewerbungen in der Regel Krankenkassen, Krankenhäuser und vergleichbare Institutionen wären. Deren Organisationskultur, schätze ich, in vielen Fällen eher konservativ rin. Ich mir nicht sicher bin, wie eine solche Bewerbung aufgenommen würde. Es ging um Bewerbungen in Powerpoint. Ich persönlich sehe das Problem in einer solchen Selbstdarstellung darin, dass PowerPoint eine Präsentationssoftware ist. Wenn ich diese in PDF umwandele und dann verschicke, ergibt das ganze keinen Sinn mehr.

Aber die Frage, ob Unternehmen, in diesem Fall die erwähnten Institutionen überhaupt Interesse an einer solchen Bewerbung haben, beschäftigt mich. Also rufe ich Krankenhäuser an, ein evangelisches, ein katholisches und ein staatliches. Die Mitarbeiterinnen sind sehr freundlich und sprechen gern über das, was sie so erleben. Im katholischen Krankenhaus sagt die Dame zu mir: „Powerpoint? Also, das wäre ein Problem unsere Pflegeleitung hat gar kein Powerpoint auf dem Rechner.“ Im staatlichen Krankenhaus überlegt die Sachbearbeiterin eine Weile und meint, sie hätte so eine Bewerbung noch nie gesehen und würde es sich mal angucken, falls sie mal eine solche Bewerbung auf den Tisch bekommen. Aber in ihrem Berufsalltag spielt es überhaupt keine Rolle. Die Dame vom evangelischen Krankenhaus sagt:“ Wissen Sie uns ist es ja schon fast egal, ob sich ein Brief interessant liest. Schön wäre aber schon, wenn es keine Tippfehler drin wären und wenn die Bewerberinnen und Bewerber keine Urlaubsfotos schicken würden.“ Ich stocke kurz und frage nach und sie bestätigt diese Erfahrung. Für mich als Bewerbungstrainerin ist ein professionelles Bewerbungsfoto (noch) so selbstverständlich, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass Menschen Urlaubsfotos ihren Bewerbungsunterlagen beifügen. Dann überlegt sie und schiebt nach: „Ich bin auch ganz froh, wenn die Unterlagen per Post kommen, die Herren hier im Haus, lesen ja keine E-Mail, dann muss ich das immer ausdrucken, in einer Mappe sieht es ja schon besser aus.“

Phrasen in Bewerbungsanschreiben

Ich sitze neben meinem Nachbarn im Auto, zufälligerweise arbeitet er am selben Ort, wo ich derzeit einmal die Woche einen Auftrag habe. Wir unterhalten uns über meine Arbeit. Als Abteilungsleiter stellt er auch Menschen ein und sieht oft Unterlagen. Ihn stört es oft, dass in den Anschreiben nichts drin stehe. Oder dass der Lebenslauf noch mal in Prosa vorliege. Zwar hätten die Bewerber, die bei ihm auf dem Tisch kommen würden, die formalen Qualifikationen aber er könne sich oft kein Bild von der Person machen. Es würde ihn einfach mal interessieren, warum diese Menschen sich bei ihm, bzw. in seinem Unternehmen bewerben. Das ist Wasser auf meine endlos klappernde Mühle. Ich frage mich ja immer, ob Menschen, die typische Standardbewerbungen mit ihren Phrasen schreiben oder helfen zu schreiben, so etwas gerne selbst den ganzen Tag lesen möchten. Ich erinnere mich an eine vorgegebene Phrase aus einer Maßnahme, die mir dort öfter begegnet ist. Jedes Anschreiben endete mit dem Satz: „Da ich der Ansicht bin, dass ich Ihren Anforderungen entspreche, freue ich mich auf ein persönliches Gespräch“. Mein Nachbar fängt an zu lachen und schüttelt immer wieder den Kopf. Ich bin froh, dass die Praxis meine Arbeitsansätze bestätigt.

Schrift in Bewerbungen

Wir schauen uns gemeinsam ihren Lebenslauf an. Mir fallen ein paar Stellen auf, die geändert werden können, um ihn übersichtlicher zu machen. Ich spreche es an und frage sie, ob ich das mal machen soll, um ihr zu zeigen, was ich meine. Sie sagt nichts, nickt aber. Ich speichere den Lebenslauf neu ab und mache die Änderungen. Ihr verschlossenes Gesicht neben mir irritiert mich etwas. Ich schaue sie an, sie guckt kurz aus den Augenwinkeln zu mir, dann richtet sich ihr Blick wieder auf den Monitor. Schweigen während ich die letzten Änderungen mache. Ich warte. „Wissen Sie“, sagt sie plötzlich in die Stille, „so war mein Lebenslauf, bevor ich in der anderen Maßnahme war. Die haben mir gesagt, dass ich das anders machen muss. Auch die Schrift musste ich ändern.“ Ich brauche nicht in die Formatleiste gucken, es ist Times New Roman. Ich frage zurück, ob ihr gesagt worden wäre, man dürfe nur Arial oder Times New Roman in Bewerbungsunterlagen verwenden. Sie nickt. Ich seufze und schüttele den Kopf. Von 100 Bewerbungen gut 80 Prozent in Times New Roman und 10 Prozent in Arial, denkt mal einer an die Leute, die diese Unterlagen lesen?

Zusammen schauen wir uns die vorhandenen Schriftschnitte an und sie entscheidet sich für Calibri. Ihr Blick ist offener. Ich erkläre, dass ich ihr Vorschläge mache und sie sagen kann, ob sie das gut findet und passend für sich, schließlich ist es ihre Bewerbung nicht meine. Ich wünsche mir ausdrücklich, dass sie mir sofort sagt, wenn ihr etwas nicht gefällt. Jetzt schaut sie mich erstmals richtig an. Dann fängt sie an von sich zu erzählen.