Hilfe, wie schreibe ich ein Anschreiben?

Kürzlich rief mich eine Interessentin an, sie brauche ein Anschreiben. Sie sei sehr aufgebracht, sie habe alle Bewerbungsratgeber in die Ecke geworfen und käme nicht weiter.

Kennen Sie dieses Gefühl? Die Angst vorm weißen Blatt? Wie stellen Sie sich am besten dar? Was hat die Bewerbungstrainerin noch mal gesagt? 30 Sekunden, vielleicht eine Minute hat ein Personaler Zeit, bevor er sich entscheidet, was er mit einer Unterlage macht. Was um Himmels Willen (oder wen auch sonst Sie jetzt anrufen mögen) sollen Sie nur schreiben. Bewerbungsratgeber off- und online versorgen Sie mit hunderten Tipps. Wahrscheinlich werden Sie sich, angesichts der Flut von Vorschlägen, eher wie ein Ertrinkender fühlen, als ein gut Beratener.

Schritt 1: Zu sich kommen

Legen Sie die Bücher weg und schließen Sie die entsprechenden Internetseiten, die sie möglicherweise gerade geöffnet haben. Stellen Sie die Füße auf den Boden, spüren sie den Boden unter sich und atmen durch. Achten Sie vor allem darauf auszuatmen. Atmen Sie solange aus, bis Sie wieder von selbst einatmen. Wiederholen Sie das viermal. Haben Sie es gemacht? Spüren Sie jetzt sich selbst mehr? Gut. Wenn es Ihnen nicht gelungen ist, macht das nichts, manchmal bedarf dies ein bisschen Übung. Wiederholen Sie es einfach immer wieder.

Schritt 2: Mein Ansprechpartner ist ein Mensch

Wieso geben wir uns eigentlich solche Mühe mit den Anschreiben? Eigentlich steht ja alles Relevante für eine Bewerbung im Lebenslauf und ist durch die Anlagen belegt. Wozu dann die Mühe?

Ihr Lebenslauf und Ihre sonstigen Unterlagen beschreiben Ihren beruflichen Werdegang, Ihre Qualifikationen, Ihre Ausbildungen. Diese Unterlagen sagen aber nichts darüber aus, warum sie sich ausgerechnet bei diesem Unternehmen bewerben. Außerdem erreichen Ihre Unterlagen nicht nur eine Organisation, die Arbeit anzubieten hat, sondern konkrete Menschen.

Damit haben wir einen wichtigen Punkt erreicht. Sie sprechen reale Menschen an, die sich langweilen oder von einer Lektüre gefesselt sein können, die lachen und weinen. Versetzen Sie sich in die Position der Person, die Ihr Anschreiben erhält. Stellen Sie sich vor, Sie müssten Ihren Brief lesen. Finden Sie ihn übersichtlich? Regt er Sie an, weiter zu lesen? Was sagt er über Sie aus? Wie beziehen Sie sich auf die Stellenausschreibung oder auf das Unternehmen? Dabei ist es nicht entscheidend, ob Sie den Empfänger Ihres Anschreibens tatsächlich persönlich kennen, vielmehr geht es um die grundsätzliche Anerkennung seiner Menschlichkeit.

Schritt 3: Schreiben Sie eine guten Text

Es gibt keine Regeln für Anschreiben, wenn wir mal von der Briefnorm absehen, die Sie hoffentlich verinnerlicht haben. Aber es gibt Erfahrungen darüber, welche Anschreiben erfolgreicher sind als andere. Wie man dem Leser das Lesen erleichtern kann. Es ist die Frage danach, was einen guten Text ausmacht.

Da Sie Ihren Lebenslauf den Unterlagen beifügen, brauchen Sie ihn im Anschreiben auch nicht zu wiederholen. Das mag banal klingen aber die Praxis zeigt, dass viele Menschen in ihren Anschreiben ihren beruflichen Werdegang nacherzählen. Natürlich weisen Sie auf Aspekte Ihres Lebenslaufs hin, wenn es für die angestrebte Position sinnvoll ist.

Zeigen Sie, wie Sie dem Unternehmen in der ausgesuchten Position von Nutzen sein können. Beziehen Sie sich auf das Unternehmen und warum Sie es spannend finden dort zu arbeiten. Zeigen Sie, was Sie für diese Position mitbringen und was Sie dem Unternehmen zu bieten haben. Fügen Sie noch Aspekte an, von denen Sie meinen, dass Sie Ihre Befähigung die Stelle auszufüllen besonders unterstreicht, z.B. eine entsprechende zusätzliche Qualifikation.

Jetzt noch ein paar Hinweise zu Gestaltung und Ausdruck.

Ein Anschreiben sollte grundsätzlich nicht länger als eine Seite sein, inklusive Briefkopf, Anreden und Unterschrift, also fassen Sie sich kurz und kommen Sie auf den Punkt.

Bleiben Sie übersichtlich. Einem gut strukturierten Brief sieht man dies auch an, noch bevor man eine einzige Zeile gelesen hat.

Schreiben sie im Präsens Indikativ, also in einer aktiven Sprache. Jeder Satz in dem ein „würde“, „könnte“, „sollen“ vorkommt, formulieren Sie um.

„Ich würde mich über ein Gespräch freuen…“

Würden Sie sich freuen oder freuen Sie sich?

„Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen…“

Na also, ist doch ganz einfach. Oder?

Schritt 4: Kontrollieren Sie die Wirkung Ihres Briefes

Es fällt Ihnen schwer sich kurz zu fassen und auf den Punkt zu kommen? Dann stellen Sie sich vor, Sie erzählen einem unbekannten Menschen, der möglicherweise interessiert ist und wenig Zeit hat, warum Sie diese Stelle wollen. Sagen wir, Sie haben ihn in einer U-Bahn getroffen und wissen, er steigt nach zwei Stationen wieder aus.

Lesen Sie sich, oder besser noch anderen, das Anschreiben laut vor. Sie werden schnell merken, wo Sie stolpern oder in Stocken geraten. Das gleiche passiert auch beim stillen Lesen.

Lassen Sie Ihr Anschreiben unbedingt von mindestens einer Person, die mit all dem nicht zu tun hat, Korrektur lesen, besser von zweien. Einer Person, die keine Ahnung hat, worum es geht, fallen Ungereimtheiten leichter auf und sie überliest auch die Tipp- und Rechtsschreibfehler weniger häufig.

Machen Sie sich Mühe, sonst muss sich Ihr Gegenüber mühen. Fällt Ihnen das schwer, wissen Sie nicht, wie sie das anfangen sollen? Lesen sie Wolf Schneiders „Deutsch für Kenner“*, fragen Sie jemanden, dem sie ein klares Deutsch zutrauen oder rufen Sie Ihre Bewerbungsberaterin an.

Und denken Sie daran, Ziel eines Anschreibens ist ein Gespräch.

*Dies ist eine persönliche Empfehlung von mir, die keinerlei Bewertung anderer Stilfibeln darstellt. Sie können natürlich auch ein anderes Werk von Wolf Schneider lesen oder die Stilfibel von Ludwig Reiners lesen. In den verlinkten Beiträgen finden Sie eine ausführliche Bibliographie beider Autoren.

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